Digitalisierung in der Suchthilfe
/ Aktuelles, Anwenden, Forschen
Spätestens im Laufe des Jahres 2019 ist das Thema Digitalisierung auch in der Suchthilfe auf breiter Ebene angekommen. Annähernd alle großen Suchtkongresse haben das Thema auf die Agenda gesetzt, Verbände, Träger und Suchtberatungsstellen suchen gemeinsam nach Antworten auf die zentralen Fragen: Was bedeutet Digitalisierung für die Suchthilfe, die Suchtberatung und die Suchtprävention? Was sind die Chancen und die Risiken? Was können und wollen Verbände, Träger und Beratungsstellen in diesem Kontext tun?
Dabei ist das Thema eigentlich kein neues: Bereits 2001 startete mit www.drugcom.de eines der ersten digitalen Angebote zur Suchtprävention. Die Webseite wurde im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von delphi konzipiert und wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Mit einer Reichweite von 6.500 Visits pro Tag und insgesamt 2.4 Millionen Aufrufen im Jahr 2018 macht drugcom die Reichweite digitaler Angebote deutlich.
Im Jahr 2004 wurde drugcom um das Beratungsangebot „Quit the Shit“ (QtS) ergänzt. Im Rahmen des mehrwöchigen, strukturierten Online-Programms werden Cannabiskonsumierende von professionellen Beraterinnen und Beratern systematisch bei der Konsumreduktion oder dem Ausstieg aus dem Cannabiskonsum begleitet. Inzwischen wurden mehr als 8.000 Klientinnen und Klienten beraten, es liegen zwei randomisiert-kontrollierte Studien (RCT-Studien) zur Wirksamkeit von QtS vor und etliche weitere digitale Beratungsangeboten wurden konzipiert und umgesetzt (bspw. www.check-dein-spiel.de, www.elternberatung-sucht.de, www.realize-it.org)
Die Digitalisierung der klientenzentrierten Arbeit der kommunalen Suchtberatung steht im Jahr 2019 dennoch am Anfang: Die wenigsten Suchtberatungsstellen können ihren Klientinnen und Klienten eine strukturierte digitale Beratung anbieten, die über die Beantwortung von E-Mail-Anfragen oder einzelne Chat-Termine hinausgeht. Auch der Einsatz digitaler Hilfsmittel in der Beratung vor Ort (blended counselling) dürfte noch immer die Ausnahme darstellen.
Im Zuge der aktuellen Diskussion zum Thema wird deshalb zunehmend der Ruf nach einer digitalen Infrastruktur für die Umsetzung einer digitalen, kommunalen Suchtberatung laut. Einzelne Beratungsstellen oder Träger haben in der Regel weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen um entsprechende Strukturen aufzubauen und instand zu halten. Eine träger- und länderübergreifende digitale Infrastruktur könnte allen kommunalen Suchtberatungsstellen die Umsetzung digitaler sowie digital-gestützter Beratungsangebote ermöglichen.
Basierend auf den Erfahrungen mit der Entwicklung, Implemenation, Evaluation und Durchführung digitaler Angebote der Suchthilfe, begleitet delphi die Diskussion um die Digitalisierung in der Suchthilfe unter anderem in Form von Fachbeiträgen auf Kongressen und Tagungen, Workshops mit Beratungsstellen und Trägern, sowie Gesprächen mit zuständigen Landesstellen und -ministerien. Im Sommer 2020 wurde von delphi, mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit und unter Mitwirkung relevanter Stakeholder der Suchthilfe aus vier Bundesländern (Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hessen), die Konzeption einer digitalen Suchtberatung erarbeitet.
Weitere Informationen:
- Projektbeschreibung: Konzeption „Digitale Suchtberatung“
- Leuschner (2018). Digitalisierung in der Suchthilfe - Überblick, Chancen, Grenzen (Vortrag auf der Landestagung 2018 der Landesstelle für Suchtfragen Baden-Württemberg) http://www.suchtfragen.de/landesstellenbrief/2018/2018_06/Beitrag-Leuschner.pdf
- Leuschner (2019). Von der Theorie in die Praxis – Entwicklung und Implementierung von digitalen Angeboten in der Suchthilfe (Vortrag auf dem 41. fdr-sucht-kongress in Frankfurt am Main am 20./21.05.2019)
https://fdr-online.info/wp-content/uploads/2019/02/V5-Von-der-Theorie-in-die-Praxis_F.-Leuschner.pdf - Ergebnispapier des 41. fdr-sucht-kongress am 20./21.05.2019 in Frankfurt am Main
https://fdr-online.info/wp-content/uploads/2019/06/190621-fdrkongress_Ergebnispapier.pdf - drugcom.de Jahresbericht 2018
https://www.drugcom.de/fileadmin/user_upload/meta/downloads/Jahresbericht_drugcom_2018.pdf - Informationen zur Digitalisierung der Suchtberatung im Rahmen des Onlineezugangsgesetzes (OZG): https://digisucht.delphi.de
Kontakt:
Dipl.-Psych. Fabian Leuschner M. Sc.
leuschner@delphi.de